Mentor-Projekt

Einblicke in die Praxis der Bewerbung und Berufswelt für Schüler am Ende der Sekundarstufe I an Aachener Gymnasien - Nicht-Lehrer vermitteln eindrücklich den Sinn von Schule und geben wertvolle Tipps für einen gelungenen Start in das Leben „danach".

Fast Facts

Worum geht es hier?

  • Kontaktherstellung zwischen Wirtschaft und Schülern am Ende der Sekundarstufe I
  • Vermittlung von Informationen aus der Praxis zu Ausbildung, Studium und Beruf
  • Sensibilisierung der Schüler für Anforderungen im Berufsleben
  • Verdeutlichung der Bedeutung des in der Schule vermittelten Lernstoffs für das spätere (Berufs-) Leben
  • Praxisbeispiele und Anwendung von Kernkompetenzen in Ausbildung, Studium und Beruf (Deutsch, Mathematik, Englisch usw.)
  • Tipps & Tricks zur Bewerbung und Studienplatzwahl

 Wie wird das konkret umgesetzt?

  • Mentoren (Firmenchefs, Personalverantwortliche, Ausbilder) besuchen die Schüler im Klassenverband in einer Infoveranstaltung (45 min.)
  • Im Idealfall stehen sie danach den Schülern als Ansprechpartner und Coach bis zum Ende der Schulausbildung bei Fragen zu Ausbildungs- und Berufswahl zur Seite

Kontakt

Viktoria Schule Aachen
StD Jutta Nießen
Warmweiherstrasse 4-8  
52066 Aachen
Tel. 0241/946190
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Käfer IT Systeme e.K.
Dipl.-Ing. Thomas Käfer, M.Sc.
Elchenrather Weide 20
52146 Würselen
Tel. 02405 479490
email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

„Durch Deutschland muss endlich ein Ruck gehen", so hat es der damalige Bundespräsident Roman Herzog im April 1997 ausgedrückt und damit zu mehr Selbstverantwortung aufgerufen: „Ich setze auf erneuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Glauben wir wieder an uns selber. Die besten Jahre liegen noch vor uns."

In wirtschaftlich angespannten Zeiten mit Debatten über die Auswüchse des Kapitalismus, Globalisierung und nicht zuletzt über den stetig nachlassenden Bildungs- und Ausbildungsstand der Gesellschaft, gilt es, die eigentlichen Stärken unseres Landes wieder hervorzuheben. Die klassische Politik quer durch alle Parteigruppierungen ist offenbar nicht mehr in der Lage, die drängenden und zukünftigen Probleme unserer Gesellschaft zu lösen und so ist die Forderung von Roman Herzog heute aktueller denn je. Ein konkretes Projekt, wie Eigenverantwortung und gesellschaftliche Solidarität mit vergleichsweise wenig Aufwand, aber hohem Erfolgspotential aussehen kann, soll nachfolgend vorgestellt werden.

Die Wirtschaftsvertreter und Ausbildungsverantwortlichen im Dualen System und der Hochschulen beklagen, bestärkt durch die negativen Erkenntnisse aus den PISA-Studien seit Jahren die verbreitet angetroffene, mangelnde Ausbildungsfähigkeit der Schulabgänger. So verhindern Schwächen in grundlegenden Kompetenzfeldern wie Deutsch, Mathematik und Englisch neben einem generell immer niedriger ausgeprägten Wissensniveau in spezifischeren Unterrichtsfächern und das Fehlen von Methodenkompetenz in vielen Fällen eine Einstellung von Bewerbern. Ausbildungsplätze bleiben daher trotz jährlich weiter angespannter Lehrstellenlage unbesetzt, da die Unternehmen keine qualifizierten Bewerber finden. Hochschulstudien werden nur in den seltensten Fällen in der Regelstudienzeit absolviert oder mangels Vorbildung oder vorheriger Information über Studieninhalt und –verlauf ganz abgebrochen.

Einen Schuldigen allein für diesen Missstand zu benennen, wäre falsch und billig. Weder Elternhaus, noch Lehrer, noch Schulsystem oder die Gesellschaft an sich bzw. der Schüler als Individuum ist alleine verantwortlich für die erkannten Defizite. Es bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten, die Situation und die Ausgangslage der Schulabgänger zu verbessern, denn die Jugend von heute ist unser aller Zukunft.

Aus einer privaten Initiative der beiden Autoren entstand bereits im Jahr 2002 eine Aktion, bei der in einer 10.Klasse der Aachener Viktoriaschule Herr Dipl.-Ing. Thomas Käfer, M.Sc. in einer Unterrichtsstunde den Schülern einen Einblick in die Anforderungen bei Bewerbung, Ausbildung und Studium und nachfolgend im Berufsalltag vorstellte. Aufgrund des positiven Feedbacks der Schüler wurde diese Aktion im April 2005 in der gesamten Jahrgangsstufe 10 der Viktoriaschule wiederholt. Die Inhalte des jeweils 45-minütigen Informationsgespräches im Klassenverband wurden durch Absprache zwischen Lehrer- und Wirtschaftsvertreter weiter verfeinert und an die konkreten Wünsche und Forderungen der beiden Seiten angepasst.

Bei der Analyse der Defizite fällt nämlich auf, dass die Schüler weder dümmer noch fauler als früher sind. Es fehlt oft allein an der Vorstellung, warum nun gerade jetzt ein bestimmter Unterrichtsstoff für das weitere Leben relevant sein sollte. Blickt man einmal in die eigene Schulzeit zurück, so erkennt vermutlich jeder entsprechende Parallelen. Dem Lehrer wird nicht geglaubt, dass man „für das Leben und nicht für die Schule lernt" oder es fehlt einfach an konkreten Beispielen, wie im Schulalltag vermittelte Grundqualifikationen konkret in der Ausbildung, im Studium oder im Beruf angewendet werden. Wie oft haben wir uns dann später selber darüber geärgert, dass wir zur Schulzeit nicht mehr Engagement in der einen oder anderen Fachrichtung gezeigt haben, da das Grundlagenwissen uns später zu Gute gekommen wäre.  Im Gegensatz zu früheren Jahrzehnten ist jedoch das Ablenkungspotential für die heutigen Schüler erheblich höher.

So ist es nach Auffassung der Initiatoren dieser Aktion wichtig, den Schülern frühzeitig an konkreten Beispielen und mit Informationen aus erster Hand (nämlich aus der Praxis) klar zu machen, dass sie in der Schule den Grundstein für ihr späteres (Berufs)-Leben legen. Je breiter und fundierter hierbei die Bildung ist, desto einfacher lassen sich später auch ggf. geänderte Berufswünsche umsetzen. Niemand erwartet ernsthaft von einem Schüler in den weiterbildenden Schulen, dass er sich zu einem frühen Zeitpunkt schon auf eine konkrete Ausbildungsrichtung und einen Beruf unverrückbar festgelegt hat. Ist jedoch eine solide Schulausbildung und eine entsprechende Leistungsbereitschaft gegeben, so ist auch eine späte Entscheidung für einen konkreten Berufswunsch i.d.R. kein Problem.

Neben den Kompetenzen in dem schulisch vermittelten Stoff fehlt es den Jugendlichen jedoch oft auch an konkreten Vorstellungen, welche Anforderungen bei Bewerbung oder Ausbildung an sie gestellt werden. Die Ergebnisse sehen Personalverantwortliche dann in den austauschbaren und oft mangelhaft aufbereiteten Bewerbungen oder spätestens bei Nichtbestehen der Probezeit oder der Ausbildungsprüfung. Dass eine Bewerbung binnen 40-60 Sekunden von einem geübten Personalchef anhand von äußeren Merkmalen bereits abgelehnt wird, ist vielen angehenden Azubis nicht bewusst. Sehr eindrucksvoll konnte dies im Rahmen der Informationsveranstaltung im April 2005 anhand eines realen Bewerbungsschreiben mit 24 Rechtschreibungs- und 10 Zeichensetzungsfehlern gezeigt werden.

Weitere Beispiele (hier konkret an technischen Berufsbildern der IT), wie z.B. Anwendung des Dual-Systems bei der Konfiguration von SCSI-Festplatten, Bruchrechnung zur Berechnung eines Gesamtwiderstandes bei zwei parallel geschalteten Widerständen einer Netzwerkverkabelung oder die Übersetzung einer englischen Fehlermeldung, zeigten den Schüler sehr anschaulich, wofür Kompetenzen in Deutsch, Mathematik und Englisch wichtig sind. Anhand einer Auswertung des Bundesinstituts für Berufsbildung von 2004 wurde gezeigt, dass für Bewerber mit einer Mathematiknote nicht besser als ausreichend lediglich 20% Erfolgschance und bei einer Mathenote von gut oder sehr gut hingegen 64% Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben ist (und das unabhängig vom Ausbildungsberuf).

Des Weiteren wurden die Schüler dahingehend ermutigt, schon in der Schulzeit ihren Horizont durch betriebliche Praktika und Engagement in außerschulischen Aktivitäten zu erweitern, um zum Zeitpunkt einer ersten Bewerbung neben dem Schulzeugnis weitere, aussagekräftige Dokumente zur Vorstellung der eigenen Persönlichkeit vorweisen zu können. Ergänzt wurden die Ausführungen durch persönliche Anmerkungen und Anekdoten aus dem Ausbildungsalltag oder der eigenen Schul- und Hochschulausbildung sowie dem Aufzeigen von möglichen Ausbildungswegen nach dem Schulabschluss (Ausbildung, Höhere Handelsschule o.ä., Studium an FH/TH, Auslandsaufenthalt).

Auch wenn eine Unterrichtsstunde zu kurz ist, um intensiv über alle Belange von Ausbildung und Studium zu referieren, so stellt solch eine direkte Ansprache der Schüler eine gute Ergänzung zu weiteren Informationsquellen, wie z.B. der Messe ZAB (Zukunft Ausbildung und Beruf) im Aachener Eurogress dar. Das Feedback der Schüler war ausnahmslos sehr positiv. Gerade die praxisnahe und plastische Darstellung der Realität ist offenbar etwas, was den Schülern zur Verbesserung der Zielorientierung hilft und was bei ihnen gut ankommt und verarbeitet wird. Der zeitnahe Besuch der ZAB bestätigte die gewonnenen Erkenntnisse durch weiteren Informations-Input auch von anderen Stellen.

Der vom Dozenten zu tragende Aufwand beläuft sich mit etwas Vorbereitung (ggf. einmalig) auf einen halben bis einen Tag. Es wäre wünschenswert, wenn sich noch mehr Firmenchefs, Ausbilder und Personalverantwortliche aus der Praxis bereit erklärten, ähnliche Informationsveranstaltungen in den anderen Aachener Schulen abzuhalten, um so eine breite Masse an Schülern fit für Ausbildung und Beruf zu machen und in beiderseitigem Interesse an der Qualifikation und dem Status der Bildung zu arbeiten.

Der nächste Schritt wäre, den Schulklassen Mentoren aus der Wirtschaft zur Seite zu stellen, die sie in den letzten 2-3 Jahren der Schulausbildung beratend begleiten und z.B. in der Bewerbungsphase oder bei Rückfragen zur Berufs- oder Studienwahl mit konkreten Antworten und Hilfestellungen aus der Praxis zur Seite zu stehen. Auch dieser Aufwand wird sich in Grenzen halten, jedoch im Hinblick auf die Stärkung der Bildungssituation tatsächlich ein „Ehrenamt" sein.

Über die Nachahmung unserer Initiative auf breiter Front freuen sich

StD Jutta Nießen (Viktoriaschule Aachen) und Dipl.-Ing. Thomas Käfer, M.Sc. (Käfer EDV Systeme GmbH)

Es gibt nichts älteres, als die Zeitung von gestern...

Stimmt meistens, hier aber nicht: Die Pressemeldung über das Mentorenprojekt ist aktuell wie eh und je, nur dass der Initiator Thomas Käfer, ein paar Jahre älter ist und sich die Aktion in der Viktoriaschule 2014 zum 10. Mal gejährt hat...

http://www.aachener-nachrichten.de/lokales/aachen/mentorprojekt-fuer-schueler-1.231371