Leseprobe Praha - von Thomas Käfer

(...)

Francesco drehte dem Verwundeten die Arme auf den Rücken und fesselte auch ihn. Auf seine Verletzung nahm er keine Rücksicht. Das würde ihn schon nicht umbringen. Und überhaupt: Italienische Polizisten gingen nicht besonders zimperlich mit Verbrechern um, schon gar nicht, wenn diese vorher auf sie geschossen hatten.

Claudia verschaffte sich einen Überblick. (…) „Cool", sagte Falk, als er den Raum betrat. „Ich glaube, wir haben sie am Arsch. Yippiyay-ey!"

„Hör zu, Bruce", sagte Claudia mit gespielter Strenge, „Ich hatte gesagt: Draußen bleiben!"

„Habe ich nicht richtig verstanden. Da war so eine schlechte Akustik", grinste er frech.

In diesem Moment erschütterte eine weitere Detonation den Raum. Kurze Zeit später stürmten fünf mit Schusswesten gepanzerte Männer den Raum und schrien: „Polizia!"

Zum Glück erkannte jeder der Beteiligten, dass es sich bei dem jeweiligen Gegenüber um die eigenen Leute handelte und die Waffen wurden schnell wieder nach unten gerichtet. Cattabiani folgte seinen Männern. Fredericos Idee hatte offensichtlich auch dort zum Erfolg geführt. (…) Nicht nur ihre Tarnung war aufgeflogen, sondern die Sicherheitstüren hatten es ihr nachgemacht und waren statt auf genau genommen in die Luft geflogen. Die ROS-Agenten zerrten die Festgenommenen inklusive des Verwundeten durch den Aufgang nach oben und Cattabiani beorderte den Hubschrauber zurück. Falk saß schon längst an den Computer-Konsolen und sichtete die Lage.

„Und?", fragte Claudia. „Volltreffer!", triumphierte Falk, „Wir haben die Drecksäcke. Das wird Wochen dauern, bis wir das alles analysiert haben, aber dafür haben wir ja jetzt erstmal alle Zeit der Welt."

„Haben wir nicht!", schrie Cattabiani, der zwischenzeitlich wieder nach unten gekommen war und sich den Raum genauer angesehen hatte. „Sprengfalle mit Zeitzünder! Alle raus! Sofort!"

Er hatte mehr durch Zufall entdeckt, dass unmittelbar neben der Tür, die nach unten zum Stollen führte, ein Paket mit einer Digitalanzeige an der Wand befestigt war und zeigte nun mit der Hand darauf. Die LCD-Anzeige lief kontinuierlich rückwärts und zählte einen Countdown herunter. 30 zeigte die Uhr an und wechselte im Sekundentakt auf 29 – 28 – 27.

„Raus!", schrie Claudia, doch Falk hatte nur kurz auf die Uhr und dann wieder auf das Terminal geblickt, vor dem er saß. Er drehte sich um und schaute auf das 19"-Rack, das hinter ihm aufgebaut war. Cattabiani war bereits am Aufgang angekommen. Claudia rannte auf Falk zu und wollte ihn von seinem Platz wegzerren. Alle anderen hatten den Raum bereits verlassen.

Falk blieb ungewöhnlich ruhig. Als Claudia auf seiner Höhe war, sagte er nur kurz, präzise und sehr bestimmend: „Das Notebook. Nimm es!"

Der Zähler war bei 24 angekommen.

Claudia stoppte. Sie schaute Falk an, drehte sich um und riss die Kabel aus den Buchsen heraus und klemmte sich das Notebook, auf das Falk gezeigt hatte, unter den Arm. Falk stand vor dem Regal, das eine Vielzahl von elektronischen Geräten beinhaltete. Er drückte auf einen Knopf auf dem Eject stand. Dann zog er gezielt ein Gerät aus dem Schrank nach vorn aus der Verankerung. Er hatte Glück. Es war nicht verschraubt, sondern mit einem Schienensystem fixiert, was Wartungsarbeiten erleichtern sollte.

Das Gerät war schwer und als es aus der Führungsschiene hinaus glitt, wäre es aufgrund der Schwerkraft beinahe auf dem Boden aufgeschlagen. Falk fing es in letzter Sekunde ab. Die Kabel, die an der Rückwand eingesteckt waren, rissen ab. 18.

„Falk! Bitte!", flehte Claudia.

„Lauf!", rief er und Claudia lief. Cattabiani rannte voraus – die Treppe hinauf. Am Aufgang drehte sie sich noch einmal um. 15. Falk stand immer noch vor dem Rack. Endlich spuckte der Autoloader die Kassette mit den 6 Bändern aus. Falk griff zu. Unter den linken Arm geklemmt hatte er das Gerät, welches er zuvor aus dem 19"-Rack gerissen hatte. Mit der rechten Hand ergriff er das DLT-Magazin. 12. Ohne nur einen Blick auf die Anzeige an der Wand zu verschwenden, spurtete er los. Wie in Zeitlupe sah er Claudia vor sich, die auf ihn gewartet hatte. Sie waren ein Team. Die junge Polizistin drehte sich um und ihre Haare schleuderten mit einer winzigen Verzögerung in die gleiche Richtung, in die sie sich wegbewegte. 8. Falk hastete hinter ihr her, die Stufen hinauf. Hier kannte er sich gar nicht aus. Er folgte Claudia. Sie würde wissen wohin. Und Claudia folgte Cattabiani. Er hatte sich oben im Haus angekommen vergewissert, dass sie folgten. 3. Cattabiani rannte zum Ausgang, sprang aus dem Haus und lief über den Vorplatz.

„In Deckung, alle in Deckung!", schrie er und lief weiter. Jeder Meter zählte. Claudia war unmittelbar hinter ihm. Im Laufen drehte sie sich um. Sie sah Falk. Mit weit aufgerissenen Augen rannte er ihr nach. Er konnte nicht so schnell folgen. Er trug das schwere Gerät und hatte nicht gerade optimale Laufschuhe an. 1. Eine ohrenbetäubende Explosion erschütterte den Raum, in dem die Computer standen. Eine Druckwelle aus Metall, Gestein, Staub und Feuer schoss durch den Aufgang nach oben – das einzige Ventil außer der Tür nach unten in den Stollen, das die Explosion hatte. Fensterglas splitterte. Die Wucht der verdrängten Luft riss Falk und Claudia die Beine unter dem Körper weg. Sie stürzten und fielen der Länge nach in den Staub. Stille.

(...)

Wie es weiter geht? Wie hat es angefangen?